Unser Plan sieht vor, dass wir das Schiff im Rahmen eines "normalen" dreiwöchigen Urlaubs von Katalonien auf die kanarischen Inseln bringen. Soweit, so gut - das bedeutet, dass entspanntes "Hafenhopping" nicht drin ist, sondern nachts durchgesegelt werden muss. Ein gutes Training für die Atlantiküberquerung, schließlich wollen tagelange Nachtschichten zu zweit auch erst mal geübt werden.
Die Reise nach Gibraltar fing erwartungsgemäß eher langweilig an, weil um die Balearen herum im Sommer meistens Schwachwind herrscht. Das hat uns ein paar mehr Motorstunden gebracht als gedacht, weil wir unter 2-3 Knoten Fahrt einfach in endlicher Zeit nirgendwo ankommen würden. So ging das die ersten drei Tage weiter - meistens tagsüber segeln, nachts Motoren, weil der Wind einschlief. Ein kleiner Einschub zum Thema Einschlafen: wenn man in der berühmten "Hundewache" um 3 oder 4 Uhr morgens herum lange genug untätig aufs dunkle Meer starrt, sieht man seltsame Dinge. Und hört auch mal Stimmen....hier kommt der Moment, wo einem das eigene Gehirn unheimlich werden kann.
Nachdem wir Ibiza hinter uns gelassen hatten, drehte der Wind auf raumschots (schräg von hinten). Hier war nun der große Moment unseres nagelneuen Parasailors gekommen. Der Parasailor ist eine Variante vom Spinnaker und wird als leichtes Vorwindsegel bis ca. 20-25 Knoten Wind eingesetzt. Zuvor frisch trainiert, haben wir den Parasailor im Vier-Leinen-System (je zwei Schoten und zwei Niederholer) gesetzt und sind den ganzen Tag damit sehr entspannt unterwegs gewesen. Ruhe im Schiff, aber 4-6 Knoten Fahrt bei 12-14 Knoten Wind von achtern ist fein.
Irgendwer hatte doch vor der Reise noch freundlich "Mast und Schotbruch" gewünscht? Nun, es war weder der Mast (gottseidank!) noch eine Schot, sondern das Spifall, welches kaputt ging. Das muss man sich wie folgt vorstellen: Frau hat Nachtwache, es ist circa 3:30 Uhr, man schaut versonnen in das schöne, große neue Segel und wird Zeugin, wie das Segel plötzlich in einer recht eleganten Bewegung von oben nach unten ins Meer rauscht. Da gibt es so einen Popsong "my heart just stopped a beat" - so ähnlich hat es sich angefühlt. Die Bilanz der Nacht war jedoch "Glück im Unglück": wir haben zwei Stunden auf dem manövrierunfähigen Schiff im Dunkeln mit dem nassen Parasailor samt aller Leinen gekämpft (es sind viele, und diverse davon sind unter den Schiffsrumpf geschwommen).
Dann hatten wir das 140 m2 Segel mit allem Tüddelkram wieder an Bord und sind vorsichtig unter Genua weiter durch den Rest der Nacht gesegelt - erstmal froh, dass sich bei der Aktion keiner verletzt hat und niemand über Bord gegangen ist. Den Motor zu starten haben wir uns erst wieder bei Tageslicht getraut, weil wir befürchtet hatten, dass sich irgendeine Leine oder eine Ecke vom Segel in der Schraube verfangen haben könnte. Aber, heureka!, der Motor lief und damit gab es keinen Grund, die Reise nach Gibraltar zu unterbrechen.
Schlussendlich sind wir nach etwas weniger als sechs Tagen frühmorgens ziemlich erschöpft mit Starkwind gegenan in La Linea / Gibraltar eingelaufen. Es war eine spannende erste Etappe, die gern etwas weniger aufregend hätte sein dürfen. Aber unsere Kiste mit Seemannsgarn enthält nun einen weiteren Schatz!
In La Linea (nahe Gibraltar) machen wir für ein paar Tage Halt, um aufzuräumen, den defekten Parasailor zu trocknen, nach der Ursache des Problems zu suchen und auch ein wenig auszuruhen.
Wie immer im Leben: kleine Ursache, große Wirkung, es fehlte eine Umlenkrolle am Mast für das Spifall. Die Leine scheuerte nach und nach durch, und am Ende lag das Tuch dann im Wasser.
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hanne (Thursday, 04 August 2016 21:46)
Oh weh, das mit dem frommen Wunsch war wohl ich. Wie gut, dass euch nichts Ernstes passiert ist. Obwohl Segelretten bei Nacht sicher kein Spaß war. Ich wünsche euch eine deutlich ruhigere Weiterfahrt!