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Einmal Atlantik, die Passatroute bitte...

Sonnenuntergang am 14.11.2016, irgendwo südlich der Kanarischen Inseln
Sonnenuntergang am 14.11.2016, irgendwo südlich der Kanarischen Inseln

... soll so schön einfach sein, haben wir gehört!

Zusätzlich zu den Tweets von unserer Atlantikreise möchten wir hier unsere Erlebnisse, Eindrücke und Bilder mit Euch teilen.

 

Nach drei Wochen "Stegsegeln" in der Marina La Palma zählen wir dort fast schon zum Inventar. Um uns herum kommen und gehen andere Boote mit dem Ziel Karibik.


Irgendwann Anfang November haben wir alle nötigen Arbeiten am Schiff erledigt und auch bereits die weniger verderblichen Nahrungsmittel gebunkert. Also fällt die Entscheidung: wir laufen aus. Letzte Einkäufe bringen frisches Obst, Gemüse und Brot aufs Boot, wir tanken Frischwasser und Diesel und - sind unterwegs.

 

Die Etappe von den Kanaren Richtung Kapverden verlief in recht ruppiger See, aber dafür schnell. Wir hatten raumschots ordentlich Wind (ca. 18 - 24 kn), so dass wir einfach vor der Genua gelaufen sind. Manchmal auch schon gerefft, wenn die Böen sich in Richtung 30 kn entwickelt haben, oder wir dem Frieden nicht getraut haben. Das brachte Etmale von mehr als 130 sm und wir waren zwar unausgeschlafen, aber es ging gut voran.

 

Nachts steht ein unfassbar großer und heller Mond am Himmel, der die See bis zum Horizont zum Glitzern bringt. Das Foto unten kann das nur ansatzweise vermitteln.

 

Ansonsten passiert wenig, wir sehen keine anderen Segler und nur ganz selten mal ein größeres Schiff. Als uns die "Panamana" überholt, überlegen wir kurz, ob wir die naheliegende lautmalerische Blödelei auch auf den Funkverkehr ausdehnen (und entscheiden uns dagegen).

 

Erfahrungsgemäß kann man auf unserer Route ab Mitte/Ende November mit stabilen Passatwinden rechnen. Die Überfahrt dauert im Schnitt 3-4 Wochen.

 

Die meisten Segler fahren von den Kanarischen Inseln südsüdwest Richtung Kapverdische Inseln "bis die Butter schmilzt" und drehen dann auf einen Westkurs ein, sobald stabile Passatbedingungen erreicht sind. In der Regel passiert das so zwischen dem 25. und dem 20. Breitengrad. Eine Empfehlung lautet, bis fast vor die Kapverden zu fahren und erst ca. 100 - 200 sm von dem Archipel entfernt auf Westkurs zu gehen, um stabilen Passatwind zu bekommen.

 

Aber natürlich kam es anders. Wobei man sagen muss, dass wir ja die eine oder andere Überraschung auch gern mal mitnehmen, aber es hat auch seine Grenzen...

 

Wir halten uns also an die Empfehlungen, und anfangs sieht auch alles gut aus. Über das Iridium GO Satellitentelefon bekommen wir detaillierte Wetterinformationen von PredictWind, die uns zwar eine Flautenzone im Westen zeigen, aber für den Moment scheint es so zu sein, dass wir die südlich passieren.

 

Nachdem wir dann entlang der klassischen Südroute so ca. 150 sm nördlich der Kapverden Kurs West angelegt haben, flaute der Wind ab. Und wurde schwächer.... Die Wettervorhersage drohte mit Schwachwind bis hin zur Flaute; Wetterrouting empfahl, weiter nördlich zu laufen. Das fällt schon etwas schwer, wenn man noch ca. 2000 sm vor sich hat und eigentlich Richtung West-Südwest will. Alle abrufbaren Wettermodelle waren sich herzlich uneinig, was denn nun die ideale Route durch das Dilemma wäre, daher haben wir den goldenen Mittelweg gewählt und sind erstmal weitergefahren.


Um es kurz zu machen: wir haben uns gute zwei Wochen mit Schwachwind und Flautentagen herumgeärgert. Leichte Anflüge von Panik wurden durch Inventur der Vorräte eingefangen (reicht notfalls auch noch bis Silvester!). Wären wir beim ARC mitgesegelt, bekämen wir vermutlich den Trostpreis für die Flautenkönige. Aber immerhin hat es uns mal so richtig "entschleunigt" - im Grunde war das auch mal nötig, aber doch nicht so lange!

 

Flautenmagie
Flautenmagie

Der Himmel ist gefleckt mit allen Farben und Formen, die ein Sonnenuntergang mit Passatwölkchen malen kann. Das Wasser schillert silbrig und spiegelt. Alles ist ruhig. Das Schiff bewegt sich kaum noch auf dem Wasser. Der Horizont scheint endlos, es gibt nur Wasser und Himmel. Eine wunderbare Stimmung, die leider nur ein einziger Flautentag in Reinform mitbrachte. Dieser Tag wird uns immer in Erinnerung bleiben, er war pure Magie.

Da hinten liegt bestimmt Mordor!
Da hinten liegt bestimmt Mordor!
Nettes Ambiente und Kommunikation mit Freunden und Familie macht die Flaute etwas erträglicher
Nettes Ambiente und Kommunikation mit Freunden und Familie macht die Flaute etwas erträglicher

Was also tut man? Erstmal Wasser sparen. Machen wir ja grundsätzlich sowieso recht konsequent, aber man kann immer noch etwas achtsamer sein. So ein echter Flautentag erlaubt immerhin ein ausgiebiges Bad im Ozean, das macht Laune und man ist sauber wie lange nicht!

Energie sparen. Unser Konzept beruht darauf, dass wir mit den Solarzellen eine Unterdeckung haben, die pro Tag ca. 1 - 2 Motorstunden erforderlich macht. Diese benötigen Diesel. Daher je weniger Energieverbrauch, desto länger reicht der Treibstoffvorrat. Also so früh wie möglich die Kühlbox aus dem Betrieb nehmen und sich mit dem normalen Kühlschrankvolumen zufrieden geben. Radar nur anmachen, wenn es da was zu sehen geben könnte. Unter 3 kn Fahrt kein Autopilot, weil sich das einfach nicht lohnt.

Der Kampf gegen die Langeweile. Je länger es dauert, desto mehr kommt man in den Urlaubsmodus ("da mache ich erstmal gar nichts..."). An dieser Stelle nochmal lieben Dank an alle, die uns regelmäßig kontaktiert haben, es hat uns wirklich geholfen. Ganz besonderen Dank an Scott, der mit seinem Newsservice dafür gesorgt hat, dass wir sogar nach Lust und Laune aktuelle Nachrichten abrufen konnten.
Sich ein dickes Fell zulegen. So ein Schiff in einer "Fast-Flaute" rollt leider ziemlich. Das schaukelt nicht nur sehr nervig, sondern macht auch Lärm. Wir haben herumexperimentiert mit einem Treibanker, etwas Genua, Ruder feststellen. Alles nur Kosmetik, das Schiff will halt in die Karibik und da treibt es auch hin (und sei es aufgrund der Strömung). Leider am liebsten quer zur Welle.

 

 

Heute Flaute, morgen Flaute, übermorgen...

Wir holen unterwegs mindestens einmal täglich einen Wetterbericht von PredictWind ab, mit der auf einer Karte das Wettergeschehen (insbesondere Wind) der nächsten Tage sichtbar wird.

 

Hier kann man sehen, wie das Flautengebiet für uns unterwegs aussah. Unsere Position ist die kleine grüne Markierung, Idealkurs ist die gelbe Linie.

 

Im oberen Bereich ist der südliche Ausläufer von Hurrican "Otto" zu erkennen, der uns diese ganze Situation eingebrockt hat. Glücklicherweise war das weit genug entfernt!

Wie wir aus der Literatur gelernt haben, "saugt ein Hurrican den Wind aus dem Atlantik" - das ist wohl die Erklärung für diese außergewöhnliche Situation, in der wir waren.

 

Zum Segeln ideal ist "grün" und "gelb". "Blau" ist eigentlich schon viel zu wenig Wind, und "lila" ist Flaute. Völlig offensichtlich, dass hier einfach nur Abwarten hilft, wir hätten hunderte Kilometer motoren müssen, um da heraus zu kommen. Keine Option, insbesondere weil die Flautenzone sich auch mit der Zeit ändert.

 

In verschiedenen Variationen sah es so ähnlich fast zwei Wochen lang aus. Da braucht man schon etwas Nerven.

Mal ist zu wenig Wind, mal zu viel...

Irgendwann war dann die Flaute vorbei, der Wind sprang innerhalb weniger Stunden an. Damit ist endlich mal wieder der Parasailor zum Einsatz gekommen. Garniert von kabbeliger Welle bis hin zu Kreuzseen entwickelte sich daraus bald ordentlich Wind von 16 - 24 kn von achtern. Das ist dann schon wieder ein Fall für die Standardbesegelung, weil man den Parasailor nicht reffen kann. Und 140m2 Segelfläche treiben Entropy in Böen doch recht schnell in Richtung Rumpfgeschwindigkeit. Schneller sollte man nicht laufen, sonst geht irgendwann etwas kaputt.

 

 Zum Segeln auf dem Atlantik gehören die sogenannten Squalls, kleine Schlechtwetterzellen, die mit dem Wind über das Meer wandern und lokal heftigen Regen und mehr oder weniger starken Wind bringen.

An manchen Tagen kommen die Squalls wie an der Perlenschnur und fordern von uns viel Aufmerksamkeit, meistens jedoch beschränkt sich das auf ein oder zwei pro Tag. Auf dem Radar kündigen sich diese Squalls deutlich an, so dass wir auch nachts genug Vorwarnzeit haben. In solchen Momentan sind wir aber froh, dass wir ein bequemes Schiff haben, in dessen Innenraum es sich auch sehr gut leben lässt. Also besonders nachts nur kurz raus, reffen, und dann wieder auf's Sofa. Wenn wir nachts überhaupt das Großsegel oben hatten, war es nach ersten Lernerfahrungen stark gerefft, damit wir uns die Arbeit am Mast im Dunkeln ersparen können. 

Himmelskino

Sonnenuntergang und Dämmerung brachten uns oft eine spektakuläre Abendunterhaltung, die wir eigentlich jeden Tag mit einem kleinen rituellen Sundowner feierten. Wer schon mit uns gesegelt ist, weiß Bescheid! :-)

Proviant und Verpflegung

An diesem wichtigen Punkt haben wir eigentlich alles richtig gemacht. Selbst nach fünf Wochen gab es keinen Mangel an guter, ausgewogener Ernährung. Die mitgebrachten Fertiggerichte konnten weiter für schlechte Zeiten gut verstaut in der Bilge bleiben.
Das Gemüse reichte für gut zwei Wochen, länger kann man das meiste einfach nicht aufbewahren. Zwiebeln und Kartoffeln gab es bis zum Ende der Reise.
Frisches Obst hatten wir bis zum letzten Tag. Orangen, Limetten, Äpfel und vor allem Mangos halten - richtig gelagert - ewig frisch.
Selbstgebackenes Brot, Scones oder Muffins sind lecker und machen glücklich.

Auch wenn unsere Reise zwei Wochen länger gedauert hat als geplant, so können wir für uns, unsere Vorbereitung und das Schiff ein eindeutig positives Fazit ziehen.

 

 

Wasservorräte

Das vorgesehene Trinkwasser in Flaschen hat exakt ausgereicht, wir hatten knapp 100 l in 1,5 l PET-Flasche dabei, die in den 34 Tagen komplett verbraucht wurden. Die zusätzlichen 50 l Trinkwasser in 5 l PET-Ballons als "eiserne Reserve" blieben unangetastet.

 

Enropy hat zwei Wassertanks mit je 360 und 160 l Volumen für Frischwasser. Dieses Wasser benutzen wir eher als Brauchwasser, aber wir trinken es auch, wenn das Wasser gekocht hat. So bereiteten wir z. B. unseren Kaffee mit dem Tankwasser zu; das spart jeden Tag einen halben Liter Flaschenwasser.
Da wir die Tanks vor der Reise desinfiziert und das Wasser mit einem keimhemmenden Mittel auf Silber- und Chlor-Basis behandelt haben, hätten wir das Tankwasser als "Plan C" auch direkt trinken können; im Zweifel wird es dann abgekocht.

 

 Von den Tanks haben wir nur den großen überhaupt benutzt, der kleine kam voll in Grenada an. Insgesamt haben wir 191 l Tankwasser in 33 Tagen (im Schnitt knapp 3 l / Tag und Person) verbraucht. Solche Werte können natürlich nur erreicht werden, wenn die ganze Crew sehr bewusst mit der Ressource Wasser umgeht. Wir sind das seit Jahren gewohnt und haben trotz des geringen Verbrauchs nicht das Gefühl gehabt, auf etwas zu verzichten.

 

Ein wichtiger Bestandteil ist unser Salzwasserdusche: ein fertig gekaufter 20-Liter-Beutel ("Campingdusche"), der morgens mit Meerwasser gefüllt wird und aufgrund seiner schwarzen Oberfläche in der Sonne das Wasser erwärmt.

Der Beutel wird dann zum Duschen hinten im Cockpit aufgehängt und hat einen Auslass mit einer Mini-Duschbrause. Zum Schluss der Duschsession gibt es noch eine Runde Süßwasserspülung. Auch wenn es etwas Arbeit macht, haben wir uns die Duschrunde fast jeden Tag gegönnt. Da die Verhältnisse außerhalb der Flautentage recht wechselhaft waren, besteht die Kunst darin, den richtigen Augenblick zu nutzen. Und schon fühlt man sich herrlich frisch und sauber und die Welt ist in Ordnung!

Treibstoff und Energie

Wer unser Blog etwas länger verfolgt, weiß, dass Energie eine kritische Ressource auf einer Fahrtenyacht ist. Vorweg: Unser Ziel, die ganze Zeit Kühlschrank, Navigationselektronik und Autopilot laufen zu lassen, hat grundsätzlich funktioniert!


Wie erwartet reichte der Ertrag der Solarzellen nicht aus, den hohen Energiebedarf in Fahrt zu decken, daher musste täglich die Maschine gestartet werden. Die ursprünglich berechnete tägliche Motorstunde reichte leider nur in wirklch optimalen Fällen: nur wenn Wind und Welle nicht zu stark sind und somit der Autopilot nicht so heftig am Steuerrad kurbeln muss und die Zellen nicht zuviel Schatten haben. In den meisten Fällen mussten 1,5 bis 2 Motorstunden eingelegt werden. Sinnvollerweise kombiniert man das Laden der Maschine möglichst mit Zeiten, in denen entweder der Motor für Manöver gebraucht wird oder in denen es kaum Wind gibt.

 

Aufgrund der Erfahrung unterwegs überlegen wir gerade, ob für die Rückfahrt in sonnenärmeren Gefilden eventuell weitere Energiequellen an Bord müssen. Momentan geht die Überlegung in Richtung Schleppgenerator.


Comments: 1 (Discussion closed)
  • #1

    Joachim Noack (Sunday, 25 December 2016 19:07)

    Liebe Segel-Freunde
    ich möchte mich kurz outen, damit Sie wissen, wer Ihnen schreibt: ich bin der Schwiegervater von Oliver Roehrig/Vater von Christina. Mein ganzes Leben lang war ich begeisterter Segler. Habe das Segeln schon als Schüler auf einem Kutter in den 1950-ziger Jahren auf der Elbe gelernt. 1952 segelten wir nach Dänemark und gehörten zu den ersten Schiffen, die nach dem Krieg dort wieder aufkreuzten. Wir bekamen sogar Benimmregeln eingebläut, weil die Zeit der Nazi-Herrschaft in Dänemark noch nicht lange her war und man eventuell Resentiments gegen uns befürchtete. Mit der Fischerjugend in den Häfen aber verstanden wir uns prima. (Übrigens, damals durfte man - mit achterlichem Wind - durch den Kaiser- Wilhelm-Kanal, so hieß er damals, noch segeln. Heute unmöglich).
    Seit dem habe ich, wo immer die Möglichkeit war, gesegelt, mal Dickschiff, mal Jolle, auch mal mit Ausleger-Booten vor Bali mit Tina, die uns Weihnachten in Jakarta besuchte. Mit Tina segelte ich, zusammen mit anderen Freunden, auch mal im Ionischen Meer, Westgriechenland.

    Nach dieser Vorbemerkung können Sie vielleicht besser verstehen, warum ich Ihre Berichte und Bilder mit ganz großem Interesse verfolge! Es sind nicht nur die phantastischen Aufnahmen, die mich faszinieren, ich sehe mir auch, so weit sie zu sehen ist, die Ausrüstung Ihres Bootes an. Außerdem bin ich beeindruckt von den vielen, bestimmt notwendigen Geräten zur Navigation und den Schaubildern auf Ihren Bildschirmen. Das alles macht mir einen verantwortungsvollen Eindruck über die Gesamtausrüstung, welche bestimmt zu einem solchen Abenteuer einer Atlantik-Überfahrt notwendig ist. (Wir hatten bei der Fahrt über die Ostsee, bei der auch kein Land mehr zu sehen war, gerade mal einen geliehenen Kompass an Bord). Aber auch Ihre Schilderung von dem verantwortungsvollen Umgang mit Ihren Energie- und Wasser-Ressourcen beeindruckt mich sehr! Sie beide sind geschulte, verantwortungsvolle und trainierte Seeleute!
    Hoffentlich wurde Ihnen mein Text nicht zu lang! Genießen Sie das Segeln in der Karibik! Ich werde Ihre Berichte weiter mit besonderem Interesse verfolgen!
    Gooden Wind!
    Joachim Noack
    jo.noack@arcor.de