Nachdem wir über Ostern im North Sound von Virgin Gorda einen kleinen Tiefausläufer ausgesessen haben, fand sich gestern ein passendes Wetterfenster für die Rückfahrt in Richtung Guadeloupe: Anfang Mai kommen unser Neffe Julius und seine Freundin Franzi zu Besuch, wir haben uns auf Guadeloupe verabredet.
Um passend vor Ort zu sein, sind wir also gestern (19.04.), gegen 11 Uhr losgefahren und wollten eigentlich am nächsten Tag auf Statia (St. Eustatius) - der einzigen Insel, die wir hier noch nicht gesehen haben - einen Zwischenhalt einlegen. Es kam natürlich anders, doch dazu später.
Die British Virgin Islands - unser Fazit
Zusammenfassend sind wir uns beide einig, dass die BVIs wirklich ein außergewöhnlich schönes Revier sind.
Es gibt hier sehr viele kleine Inseln mit wunderschönen Buchten und großartigem Unterwasserleben. Das alles in sehr klarem Wasser, so dass Schnorcheln ein wahrhaft ungetrübtes Vergnügen ist.
Die Ansteuerung ist manchmal etwas heikel, da es überall vorgelagerte Korallenriffe gibt. Aber auch das läßt sich mit etwas Vorsicht und Erfahrung gut machen. Schließlich muss man sich ja auch nicht durch jede enge Passage mit unklarem Grund quetschen, wenn es nebenan eine (korrekt nach IALA-B) betonnte Zufahrt gibt. Die Inseln liegen alle so dicht beisammen, dass es meistens (zumindest für uns) zur echten Sinnfrage wird, ob man sich überhaupt die Mühe macht, für eine Handvoll Seemeilen extra die Segel zu setzen. Zumindest wenn man (also wir "Langfahrtsegler") länger unterwegs ist, leidet man ja nicht an einem Mangel gesegelter Meilen. Wir sparen uns also konsequenterweise oft das Setzen der Segel und motoren einfach zum nächsten Platz.
Aber auch die Menschen hier scheinen ihren Weg gefunden zu haben. Das Einkommensniveau ist gut genug, dass große Autos und Häuser die Norm sind.
Ankerspaß
Das Paradies hat leider auch, wie immer, so seine Schattenseiten. Wir haben noch nie ein derart überlaufenes und unfassbar teures Segelrevier erlebt! Die Tatsache, dass 90 % der interessanten Ankerplätze komplett mit Mooringbojen gepflastert sind und diese für (mindestens) 30 US$ pro Tag vermietet werden, ist echte Beutelschneiderei. Wobei wir uns nach einiger Zeit einen Spaß daraus gemacht haben, präzise zwischen den Bojen zu ankern.
Nun, wir haben nach zwei Wochen wissenschaftlicher Beobachtung eine Theorie: die wollen das hier alle so!
Die Theorie geht so: die meisten amerikanischen Charter-Crews (und tatsächlich auch viele amerikanische und kanadische Eigner) scheinen ein echtes Problem mit Ankermanövern zu haben. Das Muster sieht so aus: entweder können sie gar nicht ankern, oder wenn sie ankern, dann hauen sie alles an Kette raus, was im Ankerkasten ist - man kann ja nie wissen.
In der Folge lassen sie dann den Rest der Welt (also alle, die nach ihnen kommen) wissen, dass "ihr Anker genau DA liegt"! Was sich später als Blödsinn rausstellt, da ihr Anker offenbar einer völlig anderen Stelle liegt.
Im Ernst, wir haben in Benures Bay zwischen einem Amerikaner und einem Kanaderier, beide Eigner, geankert. Beide (!) hatten auf 5 m Wassertiefe weit mehr als 30 m Kette draußen. Bei 10 kn Wind. Kein Kommentar.
(Die Franzosen machen das übrigens vom Ablauf her ganz anders: viel Kette raus, danach versonnen hinterher nach unten gucken. Nach einer Minuten nach hinten gehen, gut ist. )
Wie dem auch sei: die kulinarische Auswahl und das Lebensgefühl auf den BVIs wirken eher amerikanisch als britisch, was vermutlich aufgrund der Nähe zu den "USVIs" (US Virgin Islands) zwangsäufig ist. Vielleicht ist es auch die Menge amerikanischer Urlauber, die auch häufig eher unbedarft mit ihren Booten umgehen. Jedenfalls drängt sich der Eindruck eines karibischen Disneylands auf. Das hässliche Wort "Plastikkaribik" fällt bei uns öfter. Möglicherweise tun wir den BVIs Unrecht damit, aber unser Ding ist das irgendwie nicht so ganz - zumindesten nachdem wir die Windward Islands so gut kennen.
Ungeplanter Abstecher nach Sint Maarten
Wir bekommen also unser Wetterfenster, also Wind der passenden Geschwindigkeit (14 - 16 kn) aus der passenden Richtigung (NO), und legen nach dem Ausklarieren in Gun Creek, Virgin Gorda, Kurs auf Statia. Eine Stunde, nachdem wir die Nordspitze von Virgin Gorda hinter uns gelassen haben, fällt uns unangenehm auf, dass sich unser Autopilot irgendwie merkwürdig verhält: er kann offenbar den Kurs nicht richtig halten und läuft andauernd aus dem Ruder.
Ein paar Tests offenbaren, dass da wirklich etwas nicht stimmt: die angezeigte Ruderlage stimmt nicht mit dem tatsächlichen Ruderausschlag überein, und der Autopilot bekommt offensichtlich keine Kraft mehr auf die Ruderanlage. Nach kurzer Überlegung beschließen wir, von Hand gesteuert weiterzusegeln und statt Statia ein weiteres Mal Sint Maarten anzulaufen (seufz). Dort gibt es bekannterweise Marineservice und Ersatzteile satt.
Der Kurs bleibt erst trotzdem mal der alte, Sint Maarten liegt genau "gegenan", wir müssen also erst mal den Bug bis kurz vor Saba weiterlaufen und wenden dann. Wir richten uns also auf einen anstrengenden Tag ein, denn einer von uns muss ohne Autopilot ja immer steuern. Kein echtes Problem, aber erfordert etwas Umdenken.
Wir reparieren unser Boot an den schönsten Plätzen der Welt...
Nach einer eher anstrengenden, weil handgesteuerten Überfahrt laufen wir heute Mittag wieder einmal wieder in Sint Maartens Simpson Bay ein. Nach dem obligatorischen Einklarieren besuchen wir unseren schon erprobten Dienstleister FKG Rigging, mit denen wir das weitere Vorgehen besprechen.
Wir werden also erst mal hier Station machen und ab Montag einmal wieder in IGY Marina liegen, währen FGK Rigging (bzw. FKG Hydraulics) sich mit unserem Autopilot-Problem beschäftigt.
Unsere Vorab-Analyse sieht verhalten positiv aus: es scheint so zu sein, dass die Kraftübertragung vom Autopiloten an die Ruderanlage nicht mehr richtig funktioniert. Der Rest schein OK zu sein. Mit Glück ist das schnell zu beheben, wenn wir Pech haben, müssen Ersatzteile bestellt werden. Die würden wir dann vermutlich eher nach Guadeloupe liefern lassen.
Unser Ansprechpartner bei FKG Hydraulics hat lustigerweise deutsche Eltern, heißt Karl-Heinz mit Vornamen und hat seine Kindheit in Breisach verbracht. Nachdem wir unsere weiteren Stationen (inklusive der Atlantiküberquerung) erklärt haben, schöpfen wir Hoffnung, dass wir bei Karl-Heinz einen Stein im Brett haben.
Wir halten Euch auf dem Laufenden...
Lieblingsorte: Lagoonies in Simpson Bay
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden: Happy Hour im Lagoonies, gute Rum-Punches und schnelles WiFi. So macht das Bloggen dieses Artikels doppelt Spaß...
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