Am Donnerstag können wir wie verabredet Franzi und Julius am Flughafen in Empfang nehmen. Wir staunen über die sensationell kleine Gepäckmenge, in die sogar noch unsere "Bestellungen" gepaßt
haben. Den Vogel schießen die beiden aber damit ab, dass sie irgendwoher noch zwei Flaschen halbwegs gekühlten Frankfurter Ebbelwei hervorzaubern! Den hatten wir schon vermißt und er hat herrlich
geschmeckt!
Auch wenn man sich im Hafen immer über Duschen, Bäcker, Supermärkte und ähnliche zivilatorische Errungenschaften freut, sind wir wegen der stehenden Tropenluft alle froh, am nächsten Vormittag
abzulegen.
Morgenstimmung in der Marina Bas du Fort
Der Plan lautet, zur Eingewöhnung einfach nur (Stichwort "ganz gemütlich", dafür sind wir berühmt) ein bis zwei Stunden die Segel herauszuholen, um erste Erfahrungen zu sammeln, wie alles so funktioniert. In der Praxis jedoch steht in der großen Bucht vor Pointe a Pitre erstaunlich viel Welle und wir haben wechselnden, böigen Wind. Das Ganze wird noch davon gekrönt, dass die Rollanlage des Vorsegels herumzickt, weil wir im Hafen eine Schraube getauscht haben. Alles kein wirkliches Problem, aber es gibt einen kleinen Einblick, wie die ungemütlichen Seiten des Segelns sich anfühlen. Unsere Segelneulinge bemühen sich jedoch erfolgreich, ihre gute Laune nicht zu verlieren und bekommen ihre normale Gesichtsfarbe sehr schnell wieder, nachdem am frühen Nachmittag vor Le Gosier der Anker fällt.
Marie Galante
Dergestalten auf's Schlimmste vorbereitet, fällt die kurze Überfahrt nach Marie Galante sehr moderat aus und endlich benehmen sich Schiff und Karibik wie vorher versprochen. Die Insel trägt
übrigens den Namen des Flagschiffs von Christoph Columbus, angeblich, weil die Heiligen schon "aus" waren. Es war immerhin schon seine zweite Entdeckungsreise in die Karibik!
Wir ankern vor Saint Louis, dem zweitgrößten Ort der Insel. Leider ist samstagnachmittags dort alles zu, aber immerhin wird vor dem Strand mit viel Enthusiasmus ein Canoe Polo Spiel ausgetragen,
so dass für Unterhaltung gesorgt ist.
Am Sonntag schauen wir uns Marie Galante noch mal von Land aus an. Etwas weiter nördlich in der Anse Canot kann man nach einer sportlichen Strand-Anlandung per Dinghy einem gut markierten Wanderpfad folgen.
Er führt über einen kleinen Rundkurs an der Küste entlang in den Mangrovensumpf und von dort aus in die Hügel und erlaubt einen kleinen Einblick in Flora und Fauna der Insel. Da wir Marie Galante bei unserem ersten Besuch auf Guadeloupe ausgelassen hatten, freuen wir uns über die Gelegenheit, das nachzuholen. Bei ruhigem Wetter kann man dort sehr gut ankern und die Insel hat kilometerlange Strände.
Iles des Saintes
Die Saintes sind unsere nächste Station - ein hübsches kleines Archipel und quasi sehr verkehrsgünstig gelegen. Zumindest aus Seglersicht!
Ein erster Anlaufpunkt ist wieder Bourg de Saintes. Inzwischen geht die Segelsaison in der Karibik ihrem Ende entgegen, deshalb ist es deutlich weniger voll als bei unserem ersten Besuch im Februar. Erstmal lernen wir jedoch, dass an einem Montag nach einer französischen Präsidentenwahl offenbar sowas wie Feiertag ist (Update: Thomas macht uns darauf aufmerksam, dass der 8. Mai in Frankreich als "Tag des Sieges" Feiertag zum Gedenken an das Kriegsende ist. Wieder was gelernt). Aber immerhin hat der beste Eisladen der südlichen Karibik auf und eine nette Bar für den Abend mit guten Wifi und Blick auf die Bucht und die halsbrecherischen Manöver der Pelikane gibt's auch. Damit ist nach drei Abenden Bordküche für unsere kulinarische Abwechslung gesorgt.
Morgens nutzen wir die Bewölkung für einen Spaziergang hoch zum Fort Napoleon mit verschiedenen Ausblicken auf die Buchten und kleinen Nachbarinseln in den Saintes.
Pain du Sucre
Den Rest des Tages wollen wir mit Schnorcheln verbringen und testen erstmal die Ilet a Cabrit. Gefühlte zig Bojenmanöver später gelingt es endlich, Entropy an eine Boje zu binden. Wir staunen jedoch, dass es selbst mit Motorunterstützung kaum möglich ist, "ordentlich" mit dem Bug hinter der Boje zu liegen. Diese klebt wie verhext mittschiffs auf der Backbordseite, nicht gut für unsere nächtlichen Nerven und das neue Antifouling. Wind und Strom sind hier offenbar rechtwinklig gegeneinander ausgerichtet, und die Strömung ist so stark, dass das Boot sich nach ihr ausrichtet. Das geht uns dann doch zu weit, daher verholen wir uns gegenüber hinter eine kleine Landzunge, das Pain du Sucre. Hier gibt es eine sehr schöne, friedliche Bucht mit einem recht munteren Unterwasserleben. Julius und Franzi machen einen sehr ausführlichen Schnorchelausflug mit Päuschen am Strand und haben am Ende einiges zu berichten!
Überfahrt an die Westseite von Guadeloupe
Hier zeigt sich mal wieder die Crux des küstennahen Segelns - zunächst laufen wir ganz entspannt bei halbem Wind in den Saintes los Richtung Norden. Kurz vor Vieux Fort, an der Südwestecke von Guadeloupe, nimmt der Wind jedoch recht plötzlich um rund 7-10 Knoten zu. Da wir diese Ecke schon ein paar Mal ausgetestet haben, wird vorher gerefft.
Wenig später kommt man auch schon in die Landabdeckung von Guadeloupe und sieht sich mit gerefften Segeln in der Flaute.
Unsere Crew lernt also im Schnelldurchlauf eine Auswahl verschiedener Variationen von Segeln und Motoren in allen möglichen Windstärken von 1 bis 6 Bft kennen, inklusive des damit verbundenen Arbeitseinsatzes bei der Anpassung der Segelfläche.
Gute Bedingungen, das Steuern des Schiffes in die eigenen Hände zu nehmen - inklusive Erspähen und rechtzeitiges Umfahren von Fischreusen, die hier reichlich ausgelegt sind. Meistens sind sie durch kleine Bojen markiert, an manchen hängt jedoch auch nur eine alte durchsichtige Plastikflasche.
Guadeloupe - Pigeon Island
Nachmittags ankern wir in der Anse Malendure, von der aus sich der Marinepark von Pigeon Island leicht erreichen lässt. Schon beim Ankermanöver begrüßt uns eine Seeschildkröte, die uns später
noch öfter besuchen kommt und sich auch gern mal ablichten läßt.
An Land ist eher weniger los, aber immerhin schlappt Martin für frisches Brot, Obst und Gemüse die 20 Minuten zum Carrefour und der Rest der Crew checkt (erfolgreich) Restaurants für den Abend
und erbeutet eine reife kleine Mango, die Franzi direkt vor die Füße fällt. Die hat übrigens sehr gut geschmeckt - wir haben sie Tage später im Obstkorb wiedergefunden und ins Müsli geschnippelt.
Morgens rüsten wir uns für den großen Schorchelausflug und schippern mit dem Dinghy rüber nach Pigeon Island. Die winzigen, unbewohnten Inselchen gehören zum Jacques-Cousteau-Unterwasserpark und
stehen schon lange unter Naturschutz. Dementsprechend gibt es sehr viele Fischarten, die sich von uns überhaupt nicht stören lassen und sogar eine interessant gefleckte Muräne. Auch ein Platz,
den wir beim ersten Besuch von Guadeloupe ausgelassen haben - es hat sich gelohnt, einer der besten Schnorchelplätze, die wir bisher gesehen haben!
Abends werden wir noch beim Kochen von einem Gewitter überrascht - die heftigen Böen bringen uns dazu, das Schiff schon mal provisorisch startklar zu machen, falls wir den Ankerplatz verlassen
müssen.
Unsere Vorsicht wird aber mit einer doch recht ruhigen Nacht belohnt und unsere elektronische Ankerwache lässt uns halbwegs entspannt schlafen.
Am Morgen schauen wir ungläubig auf den Plot der Bootsbewegung, ein Vollkreis mit verschiedenen Radien. Normalerweise sieht dieses Diagramm aus wie eine Banane (in diesem Fall wäre nur der nierenförmige Teil ganz links bei den Fähnchen zu sehen). Der Wind muss in der Nacht aus nahezu allen Richtungen gekommen sein, nur Südwind fehlte scheinbar.
Glücklicherweise hat der Anker gut gehalten.
Au revoir la France et bonjour Dominica!
Nun wird es langsam Zeit, Kurs auf Dominica zu setzen. Wieder haben wir auf der Westseite von Guadeloupe volle Landabdeckung mit spiegelglatter See, so dass wir motoren müssen. Das hat aber auch sein Gutes: ein paar Delphine macht unser Motorgeräusch neugierig und einer schwimmt sogar direkt vor unserem Bug herum! Das wurde unserer Meinung nach auch mal Zeit, wir haben bis dato nur selten Delphine gesehen, was in der langen Zeit eigentlich ungewöhnlich ist. Und außerdem waren sie quasi "bestellt" für Franzi und Julius!
Wir übernachten noch einmal auf den Saintes (Stichwort verkehrsgünstig gelegen), wo wir ausklarieren, um auf Dominica keinen Stress bei der Einreise zu bekommen. Außerdem gibt das die Gelgenheit für ein Abendessen bei den Baumfröschen - das Restaurant "Fringale" hat einen sehr schön angelegten Hinterhof-Garten, wo die in der Karibik allgegenwärtigen Baumfrösche sich erfolgreich bemühen, zum Hauptthema am Tisch zu werden. Sie sind sehr klein, und wenn man ihrem Versteck näher kommt, ist mal kurz Ruhe. Aber auch nur kurz!
Dominica - grüner wirds nicht!
Tags darauf geht's los nach Dominica. Um unsere Freunde von der Step by Step zu zitieren: "alkoholfreies Champagnersegeln"! Kaum Welle, dafür ein entspannter Amwindkurs mit 12-15 Knoten bringen Entropy gut ins Laufen und wir kommen schneller vor der Nordwestecke von Dominica an, als wir dachten. Dort binden wir dann doch lieber ein Reff in die Segel, weil die große, bergige Insel für reichlich Kapeffekt sorgt.
Bei der Einfahrt in die Prince Rupert Bay begrüßt uns dieses Mal Titus mit dem Boots- und Businessnamen "Lawrence of Arabia" und PAYS-Mitglied. Titus ist ein freundlicher Rasta, der uns nach dem Festmachen an der Boje sehr engagiert bei der Erledigung von Customs und Immigration hilft. Es ist Samstag, das Büro ist nicht besetzt, aber theoretisch hat ein Beamter dienst. Theoretisch.
Unter Leitung von Titus geht es zu Fuß zu den Privatwohnungen der Beamten (hätten wir ohne ihn weder gefunden noch gewagt) - keiner da, wir kehren unverrichteter Dinge zurück zum Boot.
Er holt uns am späteren Nachmittag noch einmal ab, er hat vorher geklärt dass jemand vor Ort ist. Bei der Dame vom Zoll findet das Ausfüllen der Formulare am Ende in ihrer Küche statt (das ist mal ein Homeoffice). Dort geht es munter zu, wir sind nicht die Einzigen, die heute einklarieren wollen.
Für's Boot wäre die Sache damit erledigt und wir dürfen Montag ohne weitere Formalien wieder auslaufen. Für Julius und Franzi geht die Odyssee weiter, da sie das Boot verlassen und später per Fähre ausreisen, müssen sie separat durch Immigrations, das ist aber in der Stadt. Wir lassen uns von Titus mit dem Boot zum Town Dock fahren und gehen zur Polizeistation, wo natürlich wieder niemand im Büro ist. Der freundliche Polizeibeamte will gerade jemand anrufen, da kommt zufällig die Dame von Immigrations mit ihren beiden kleinen Kindern vorbei, versetzt sich kurzerhand in den Dienst und erledigt die Formalien.
Indian River Tour, revisited
Sonntag ist wieder früh Aufstehen angesagt: wir machen eine Indian River Tour, 7 Uhr werden wir abgeholt. Titus lädt noch die Amerikaner von der Yacht nebenan zu uns in sein Holzboot und rudert uns dann in den frühmorgendlichen Mangrovenwald. Wie schon beim ersten Mal erfolgt ein Abstecher zu Calypso's Hut und unterwegs gibt es viele Erläuterungen der Pflanzen und Tiere.
Später schließt sich ein Spaziergang zu einer kleinen Farm an, wo Titus aus dem Garten seines Schulfreundes jede Menge einheimisches Obst zum zweiten Frühstück holt und wir selbstproduzierten Passionsfruchtsaft trinken können. Für uns ist es die zweite Indian River Tour, aber wir entdecken noch viel Neues und jeder Führer hat offensichtlich seinen eigenen Stil. Hat sich gelohnt!
Zurück auf dem Schiff machen sich Julius und Franzi per Dinghy auf die Suche nach Bargeld (ATM). Plötzlich tut es einen Ruck und wir stellen bei der Ursachenforschung fest, dass wir treiben: die Leine unserer Boje ist gerissen, jedoch hat Entropy seinen eigenen Schutzengel, der dafür sorgt, dass wir zu der Zeit an Bord waren. Wäre das zwei Stunden früher passiert, wäre das Boot führerlos durch die Bucht gedriftet. Was für ein Glück!
Und was dann passiert, ist völlig unglaublich: Wir starten gerade den Motor und bereiten uns darauf vor, die Leinen loszuwerfen, um an eine andere Boje zu gehen. Wir haben noch keinen Handschlag gemacht, da verfängt sich unsere mitgeschleppte Boje mit der leeren Boje hinter uns, die beiden Bojen vertwisten sich so, dass das Boot quasi von selbst festmacht! Wir liegen für den Moment fest, die Situation bleibt aber natürlich unter Beobachtung. PAYS wird gerufen, und ein paar Minuten ist Titus zur Stelle, der sich das Drama anschaut und uns hilft an der Boje "richtig" festzumachen.
Alles gut, nichts passiert, aber Julius und Franzi haben sich bei ihrer Rückkehr etwas gewundert, dass das Boot irgendwie "gewandert" ist.
Auf Wiedersehen!
Nach einem letzten schönen Abend in der Strandbar mit kreolischen Spezialitäten (und natürlich Rum-Punsch) heißt es am Montagmorgen Abschied nehmen. Titus nimmt Julius und Franzi samt Gepäck in
Empfang, um sie an das Towndock von Portsmouth zu bringen. Von dort aus geht es für die beiden weiter nach
Calibishie, während wir wieder Kurs setzen zurück nach Guadeloupe. Auf uns wartet der Atlantik und dafür sind noch einige Vorbereitungen zu treffen!
Wir haben die Woche mit unseren Gästen sehr genossen und uns über die Gesellschaft gefreut! Wir haben uns auch sehr schnell daran gewöhnt, bei den Segelmanövern ein paar helfende Hände mehr zu
haben. Das wird vom Skipper mit einer offziellen Seemeilenbestätigung belohnt, so dass die ersten 112 Seemeilen für einen eventuellen späteren Segelschein schon "im Sack" sind. Jedenfalls hoffen
wir, dass das Segeln zwei neue Fans gefunden hat; die Bootstauglichkeit ist hiermit jedenfalls bewiesen!
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